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Einstiege für Einsteiger

Vor kur­zem habe ich mit einer jun­gen Kol­le­gin über den schwie­ri­gen Über­gang von Refe­ren­da­ri­at zum nor­ma­len Voll­zeit-Job gespro­chen. Man lernt im Refe­ren­da­ri­at zwar alles Mög­li­che, nur lei­der so gut wie nie wie man danach „über­le­ben“ und trotz­dem guten Unter­richt hal­ten kann. Was sie immer beson­ders viel Zeit und Ner­ven kos­te, sei es, für jede Stun­de ein pas­sen­den Ein­stieg zu fin­den. Die­se sei­en oft an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen und wür­den häu­fig auch gar nicht die gewünsch­te Funk­ti­on erfüllen.

Hast DU auch im Refe­ren­da­ri­at gelernt, dass jede gute Stun­de einen „Ein­stieg“ haben soll­te? VERGISS ES, die­se For­de­rung ist ers­tens unrea­lis­tisch und zwei­tens gar nicht so sel­ten kontraproduktiv.

Unter „Ein­stieg“ ver­ste­he ich im Fol­gen­den etwas ver­gleichs­wei­se Auf­wen­di­ges, also einen Car­toon (oder ande­ren visu­el­len Impuls), einen Song, einen eige­nen kur­zen Text etc.

Das ers­te Pro­blem ist, dass jeder Ein­stieg (wert­vol­le) Zeit kos­tet – Zeit, die einem u.U. spä­ter wie­der fehlt. Es gilt also immer abzu­wä­gen, ob der Ein­stieg über­haupt in einem sinn­vol­len Ver­hält­nis steht, zu dem was (hof­fent­lich) über­haupt damit bezweckt wer­den soll. Es ist völ­lig unmög­lich für jede Stun­den einen Ein­stieg zu fin­den, der die­ses Kri­te­ri­um erfüllt.

Natür­lich stei­ge ich in ein völ­lig neu­es The­ma nicht ein, indem ich den Schü­lern ein­fach einen Text hin­knal­le. Da ver­su­che ich Vor­wis­sen zu reak­ti­vie­ren bzw. schaue, ob über­haupt eines vor­han­den ist, knüp­fe ggf. an aktu­el­le Ereig­nis­se an um zu mei­nem eigent­li­chen The­ma hin­zu­lei­ten usw. Wenn ich aber schon mal in einem The­ma „drin­nen“ bin, brau­che ich nicht mehr „ein­zu­stei­gen“. In so einer Situa­ti­on wer­den vie­le Ein­stie­ge eher zu Aus­stie­gen, weil sie zunächst von dem, was man gera­de macht, weg­füh­ren und die Schü­ler sich fra­gen, was das jetzt eigent­lich soll.

Viel sinn­vol­ler ist es in sol­chen Situa­tio­nen zu ver­su­chen an die letz­te Stun­de anzu­knüp­fen: „What did we do last les­son?“ oder genau­er: „Whe­re did we stop last les­son?“ Im Nor­mal­fall ver­stum­men nach so einer Fra­ge schlag­ar­tig alle Schü­ler, sen­ken die Bli­cke und fan­gen an ver­schämt in ihren (chao­ti­schen) Unter­la­gen rum­zu­gru­scheln. Irgend­wann erbarmt sich dann einer und mur­melt etwas in der Art: „Some­thing with son­nets / film / novels / immigration …“

Weil sie so oft an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen sind, arten Ein­stie­ge oft in das bekann­te Rate­spiel „Was will der Leh­rer hören?“ aus. Statt auf die­se Wei­se Zeit zu ver­geu­den und den Schü­lern die Ant­wor­ten in den Mund zu legen, gebe ich lie­ber einen knap­pen Über­blick über das nächs­te Thema.

Wenn wir uns im LK als nächsts mit Sonet­ten beschäf­ti­gen, lau­tet mein „Ein­stieg“ unge­fähr so: „Our next topic will be son­nets. Son­nets are a very popu­lar form of poems that con­sist of four­teen lines and fol­low rather strict rules con­cer­ning e.g. the rhy­me sche­me. Espe­ci­al­ly Wil­liam Shake­speare has writ­ten many son­nets, some of his poems are con­side­red to be the most beau­tiful in world lite­ra­tu­re. First we will deal with the histo­ry of the son­net and learn that the­re are main­ly two forms, name­ly the Ita­li­an and the so-cal­led Eng­lish or Shake­speare son­net. After that we will dis­cuss some famous Shake­speare son­nets. Then we will deal with sty­li­stic devices. You’ll get a nice three pages hand­out with the most important tech­ni­cal terms and of cour­se also cor­re­spon­ding work­s­heets. We will end this unit with some poems about life in the city, so-cal­led „urban“ poet­ry.“ Und danach geht’s los mit einer Folie zum ita­lie­ni­schen Sonett …

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Was Hänschen nicht belegt

  1. eisbein

    Ich stim­me Dir voll zu. Wenn schon ein „Ein­stieg“, dann einer der eine gan­ze Sequenz trägt.

  2. Cristian

    „Ich stim­me Dir voll zu. Wenn schon ein “Ein­stieg”, dann einer der eine gan­ze Sequenz trägt.“

    Was mei­ner Mei­nung nach vie­le nicht begrei­fen ist, dass eine Unter­richts­be­suchs­stun­de im Prin­zip zei­gen soll, dass man kom­plet­te Lern­pro­zes­se ini­tie­ren und beglei­ten kann: Vom Ein­stieg ins The­ma bis ggf. zur Eva­lua­ti­on. In der Besuchs­stun­de zeigt man also in kur­zer Zeit und sehr ver­dich­tet etwas, was man im All­tag über meh­re­re Unter­richts­stun­den ver­teilt. Nun soll­te man im Refe­ren­da­ri­at natür­lich vie­le Stun­den mit einem Ein­stieg begin­nen, um Übung zu bekom­men, Ideen zu sam­meln. Dass die spä­te­re Unter­richts­pra­xis anders aus­sieht, war mei­nen Fach­lei­tern immer klar. Aber wie gesagt: bei uns ging es immer um gan­ze Lernprozesse.

  3. Julius

    Dein »Ein­stieg« ist, zumin­dest nach dem, was ich in der Uni ler­ne, ein Advan­ce Orga­ni­zer, der durch­aus als rich­ti­ger Ein­stieg ver­wen­det wer­den kann. Optisch könn­te man ihn mit einer Art Mind Map unter­stüt­zen, die man immer wie­der auf­legt, wenn man einen Teil­be­reich abge­schlos­sen hat.

  4. Hal­lo Jochen,
    also ich stim­me auch Juli­us zu. Ich bin ja momen­tan noch Refe­ren­dar und dein Ein­stieg (selbst ein Leh­rer­vor­trag) ist nor­ma­ler­wei­se ein ziem­lich gelun­ge­rer Ein­stieg – und wäre dies auch in einem UB.
    Mei­ne Aus­bil­der ach­ten auch ins­be­son­de­re dar­auf, dass ein Pro­zess ent­steht – also eben nicht nur eine ein­zel­ne Show-Stun­de gezeigt wird, son­dern dass sie in eine Ein­heit ein­ge­bet­tet ist. Daher kann auch ein Unter­richts­be­such nur dar­aus bestehen, dass z.B. NUR Schü­ler­prä­sen­ta­tio­nen gezeigt wer­den – Ein­stieg und Erar­bei­tung dazu sind halt in den Stun­den zuvor dann schon gelau­fen, eben über meh­re­re Stun­den hinweg.

  5. Peter

    Hal­lo David,

    sol­che Aus­bil­der sind mei­ner Erfah­rung nach lei­der rela­tiv sel­ten, meis­tens wol­len sie alle Pha­sen in einer Stun­de sehen, ansons­ten wird’s eine schlech­te Lehr­pro­ben­no­te. Allei­ne schon der Gedan­ke, eine Stun­de nur aus Schü­ler­prä­sen­ta­tio­nen bestehen zu las­sen, hät­te mei­ne Aus­bil­der die Hän­de über dem Kopf zusam­men­schla­gen las­sen, so eine Methodenmonotonie…

  6. Christian

    „Allei­ne schon der Gedan­ke, eine Stun­de nur aus Schü­ler­prä­sen­ta­tio­nen bestehen zu las­sen, hät­te mei­ne Aus­bil­der die Hän­de über dem Kopf zusam­men­schla­gen las­sen, so eine Methodenmonotonie…“

    Es geht dabei gar nicht dar­um, dass die Metho­den zu ein­sei­tig sind. Was viel wich­ti­ger ist: wenn nur die SuS Refe­ra­te hal­ten, trittst du gar nicht in Akti­on. Das ist es aber, was die Aus­bil­der sehen wol­len: Wie han­delst und agierst du im Klassenraum.

    • In so einem Fall bewer­ten die Aus­bil­der dann sowohl die geleis­te­te Vor­ar­beit (Erar­bei­tung, Steue­rung der Grup­pe) als auch dann pri­mär die Mode­ra­to­ren-Funk­ti­on des Leh­rers. Das ist dann das Han­deln des Leh­rers. Da SuS-Refe­ra­te grund­sätz­lich im Sin­ne einer Feed­back­kul­tur gewür­digt wer­den soll­ten, ist hier der Leh­rer gefragt, das Feed­back ent­we­der selbst zu geben oder die Rück­mel­dun­gen der SuS zu einem Refe­rat zu mode­rie­ren und ggf. zu bestä­ti­gen oder zu wider­le­gen (oft läuft ein Feed­back mei­ner Erfah­rung nach dar­auf hin­aus, dass SuS haupt­säch­lich posi­ti­ve Aspek­te her­aus­stel­len – was zunächst ja nicht wei­ter schlimm ist -, dann aber aus Rück­sicht auf ihre Mit­schü­ler nicht die „ver­bes­se­rungs­wür­di­gen“ Aspek­te einer Prä­sen­ta­ti­on nen­nen. An der Stel­le grei­fe ich dann ein – erle­di­ge ich dies ange­mes­sen, habe ich mei­ne Mode­ra­to­ren­funk­ti­on in die­ser Stun­de erfüllt und mei­ne Aus­bil­der sind zufrieden).
      Ich weiß, dass vie­le ande­re Aus­bil­der das anders hand­ha­ben, aber ich habe das Glück, dass mei­ne Aus­bil­der ein Gespür dafür haben, was in der Klas­se gelau­fen ist und möglich/unmöglich ist. Ihr Ansatz ist damit etwas „kon­struk­ti­vis­ti­scher“, wenn man so will, so kann ich auch in UBs etwas zurück­tre­ten und die SuS „machen“ lassen.

  7. Claudia Boerger

    Dan­ke dir, Jochen, für dei­ne prag­ma­tisch-rea­lis­ti­sche Bewer­tung eines (ver­meint­li­chen) Mega-Giga-Super-Alle-sind-wach-und-dabei-Einstiegs. 

    Jochen schreibt: „Viel sinn­vol­ler ist es in sol­chen Situa­tio­nen zu ver­su­chen an die letz­te Stun­de anzu­knüp­fen: “What did we do last les­son?” oder genau­er: “Whe­re did we stop last les­son?” Im Nor­mal­fall ver­stum­men nach so einer Fra­ge schlag­ar­tig alle Schü­ler, sen­ken die Bli­cke und fan­gen an ver­schämt in ihren (chao­ti­schen) Unter­la­gen rumzugruscheln.“

    Ich habe da posi­ti­ve­re Erfah­run­gen mit dem Think-Pair-Share des Koope­ra­ti­ven Ler­nens gemacht – und das von der 5. Klas­se an. 

    Also: (1) „Think for yours­elf and jot down some notes about: What did you learn last les­son?“ (2) Nach eini­gen Minu­ten: „Now plea­se talk to your neigh­bour about what you lear­ned last les­son.“ (3) Dann – das Ritu­al ist allen bekannt – wird jemand (wirk­lich!) zufael­lig benannt: „X, plea­se tell us about what you lear­ned last les­son.“ Schliess­lich noch zum Rest der Klas­se: „Any­thing to add?“

    Die Vor­tei­le des Drei­schritts sind ja bekannt: Die ers­te Denk­zeit-Pha­se schafft erst ein­mal Ori­en­tie­rung und inne­re Betei­li­gung. Der zwei­te Aus­tausch­schritt sichert noch ein­mal mehr men­ta­le Akti­vie­rung, vor allem schafft er aber Sicher­heit (wg. im klei­nen Rah­men schna­cken) und schliess­lich bedeu­tet das Vor­tra­gen eines Zufall­s­kan­di­da­ten, dass alle – klar, mehr oder weni­ger – sich zuvor um inhalt­li­che Qua­li­taet bemue­hen, denn „Es kann ja jeden treffen“.

    Think-Pair-Share: mein per­soen­li­cher Standard-Einstieg.

    • > Nach eini­gen Minuten:

      Also grund­sätz­lich mag ich „Think-Pair-Share“ ja auch ger­ne, aber wenn ich wis­sen will was wir VORGESTERN gemacht, sind mir „eini­ge Minu­ten“ ein­fach zu viel 😉

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