Das Bild von Micha­el Mathi­as Prechtl in Con­text 21 auf S. 240 wirft eine Rei­he von Fra­gen auf. Zunächst ein­mal fragt man sich, wel­ches Ver­hält­nis zwi­schen Son­net 29 und dem Bild besteht. Auf den ers­ten Blick sug­ge­riert vor allem die Ler­che (vgl. „Like to the lark“ l. 11), dass das Bild das Sonett illus­triert. Dann erge­ben sich jedoch schnell Pro­ble­me bei der Inter­pre­ta­ti­on z.B. der Kir­sche (die im Gedicht nicht auf­taucht), der Lie­ben­den und vor allem des Schneckenhauses.

In mei­nem aktu­el­len Kurs haben wir uns Gedan­ken zu dem Bild gemacht:

Wir haben uns dar­auf geei­nigt, dass Prechtl eigent­lich zwei The­men dar­stellt, ers­tens den Dich­ter Shake­speare (vgl. den Titel des Bil­des „Der jun­ge Shake­speare“) und zwei­tens die The­men sei­ner Wer­ke bzw. Sonette.

Zum ers­ten Aspekt gehört z.B. das Grün­zeug am obe­ren Bild­rand, das ich als Lor­beer­blät­ter inter­pre­tie­re. Damit ver­sieht Prechtl Shake­speare (zumin­dest andeu­tungs­wei­se) mit einer Art „Dich­ter­kro­ne“.

Der Feder­kiel ist in die­sem Zusam­men­hang wahr­schein­lich einer­seits Amors Pfeil, der Shake­speare getrof­fen hat, ande­rer­seits sein Werk­zeug, mit dem er über Lie­be, Lie­bes­schmerz und Tod schreibt.

Die Ler­che hat eine mei­ner Schü­le­rin­nen als Hin­weis dar­auf inter­pre­tiert, dass Shake­speare qua­si aus einer „bird’s eye view“ (Wiki­pe­dia) her­aus schreibt. Er erkennt die The­men, die die Men­schen berüh­ren: Lie­be, Tod, Schmerz, (Woll-)Lust und Ver­gäng­lich­keit. Eine inter­es­san­te Fra­ge wäre, wel­che Rol­le die Ler­che in Shakespeare’s Werk spielt. Abge­se­hen von der Ler­che im Son­net 29 fällt einem natür­lich als ers­tes Romeo and Juliet ein: „It was the lark, the herald of the morn“.

Zum Zwei­ten sind eini­ge Gesich­ter der Lie­be dar­ge­stellt. Die Kir­sche steht natür­lich für Lie­be – sie ist ja ein Mit­glied der Rosen­ge­wäch­se (sieht man am Blatt, das könn­te auch an einer Rose wach­sen). Ihr Saft könn­te am Stiel ent­lang ins Herz getropft sein.

Der Vogel mit der Kir­sche weist evtl. auf Fort­pflan­zung hin – er trägt den Kern wei­ter, aus dem neu­es Leben entsteht.

Das Schne­cken­haus kommt in vie­len Prechtl-Bil­dern vor – das fin­de ich jetzt nicht Shake­speare-spe­zi­fisch. Aber es könn­te natür­lich ein Sym­bol für Woll­lust sein – der Schne­cke als Zwit­ter sagt man das ja nach. Ein lee­res Schne­cken­haus steht für Ver­gäng­lich­keit. Die Spi­ra­le im Schne­cken­haus spricht ande­rer­seits für die Unend­lich­keit und für Unver­gäng­lich­keit von Liebe.

Also geht es ins­ge­samt um ver­schie­de­ne For­men der Lie­be, die in dem Bild
anklin­gen: die schmerz­haf­te (weil uner­füll­te? Blut/Pfeil), die woll­lüs­ti­ge (Schne­cke), die ver­gäng­li­che (Schne­cken­haus), die unend­li­che (Spi­ra­le) und die roman­ti­sche (Kirsche/Rose).