… ist der Titel eines sehr interessanten TAZ-Artikels über Unterricht aus Schülerperspektive:
In der Beobachtung des Schüleralltages wird einiges sichtbar, was mir grundlegend für das Nachdenken über schulischen Unterricht zu sein scheint. Zunächst die Doppelstruktur der Unterrichtssituation: Schüler orientieren sich immer an zwei Anforderungen zugleich: zum einen an der des „Unterrichts“, der durch die Lehrperson repräsentiert wird und beispielsweise darin besteht, Fragen zu beantworten, etwas von der Tafel abzuschreiben, Arbeitsblätter auszufüllen. Zum anderen müssen Schülerinnen und Schüler den Erwartungen und Normen der Kultur in der Gleichaltrigengruppe entsprechen, der so genannten „Peer-Kultur“. Um anerkannt zu sein oder zumindest keine Schwierigkeiten zu bekommen, müssen sie darauf achten, dass ihr Verhalten den Orientierungen der Schülerkultur entspricht. Sie sollten zum Beispiel zum Unterhaltungswert der Situation beitragen und eine gewisse Distanziertheit zum eigenen Tun zeigen.
Jede Schülerantwort im Unterricht hat also ein doppeltes Publikum, oft auch einen doppelten Adressaten: den Lehrer und die Mitschüler. Die Anforderungen beider Seiten können in Konflikt miteinander geraten. Zum Beispiel wenn sehr gute Zensuren vor den Mitschülern legitimiert werden müssen, um nicht als „Streber“ zu gelten. Die beiden Anforderungsstrukturen können aber auch relativ friedlich koexistieren: Viele Schülerpraktiken zielen darauf, gleichzeitig am Unterricht teilzunehmen und die Peerkommunikation zu pflegen. Vor allem in der Gymnasialklasse hatten die Schülerinnen eine erstaunliche Meisterschaft darin ausgebildet, dem Unterricht so weit erforderlich zu folgen und sich dabei intensiv mit der Freundin zu unterhalten – zum Beispiel mit Hilfe ausgefeilter Techniken des verdeckten Briefchenschreibens.
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