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Kollege Tablet, übernehmen Sie

Ein Kom­men­tar aus der SZ vom 2.12.16, der mir aus der See­le spricht:

„Elek­tro­kin­der“ vom 19./20. Novem­ber führt fak­ten­reich vor Augen, dass die Bun­des­re­gie­rung die Bil­dungs­pla­nung der IT-Indus­trie über­gibt. Das ist tat­säch­lich ein „Stra­te­gie­wech­sel“ – vom hum­boldt­schen Bil­dungs­ide­al zur tech­no­kra­ti­schen Kon­di­tio­nie­rung, geschickt ver­mark­tet. Vor­der­grün­dig geht es dar­um, dass unse­re Kin­der zu gege­be­ner Zeit die Beherr­schung der digi­ta­len Gerä­te ler­nen müs­sen. Das sol­len sie auch. Sie tun es übri­gens auch ohne Schu­le schon so viel, dass eher die Gerä­te sie beherr­schen. Es geht aber in Wirk­lich­keit um eine Neu­aus­rich­tung, näm­lich die Über­nah­me der Erzie­hung selbst durch digi­ta­le Medi­en bereits in den Kitas; das ist der „Stra­te­gie­wech­sel“. So wie bei der Indus­trie 4.0 Maschi­nen die Pro­duk­ti­on selb­stän­dig steu­ern sol­len, sol­len Com­pu­ter und Algo­rith­men das Erzie­hungs­ge­sche­hen auto­nom steu­ern. Dafür lie­gen die Kon­zep­te aus­ge­ar­bei­tet vor.

Die schein­ba­re Indi­vi­dua­li­sie­rung des Ler­nens durch digi­ta­le Medi­en ist eine Ent­mün­di­gung, ein Mil­li­ar­den­ge­schäft – und nicht zuletzt ist es ein Pro­gramm zur Ein­spa­rung von Leh­rern und Erziehern.

Beim IT-Gip­fel „Digi­ta­le Bil­dung“ defi­lier­ten alle Bran­chen­bos­se von Goog­le bis Bit­kom, sie lei­te­ten sogar Work­shops, die päd­ago­gi­sche Wis­sen­schaft blieb außen vor. Das, was in den digi­ta­len Bil­dungs­vor­stel­lun­gen der IT-Bran­che als indi­vi­dua­li­sier­ter Unter­richt ange­prie­sen wird, ist vom Men­schen befrei­ter Fron­tal­un­ter­richt. Der sozia­li­sie­ren­de, gemein­schafts­bil­den­de Klas­sen­ver­band ent­fällt, die päd­ago­gi­sche Atmo­sphä­re, erzeugt durch den Leh­rer, weicht tech­ni­scher Käl­te, Bere­chen­bar­keit und Konditionierung.

Wer behaup­tet, digi­ta­le Lehr­an­ge­bo­te wür­den die angeb­li­che digi­ta­le Spal­tung auf­he­ben, argu­men­tiert wis­sent­lich an der Rea­li­tät vor­bei. Gera­de sozi­al benach­tei­lig­te Kin­der ver­fü­gen über mehr Unter­hal­tungs­elek­tro­nik (Smart­phones, Tablets, Wifi-Spie­le) und ver­brin­gen mehr und unkon­trol­lier­te Zeit mit digi­ta­len Medi­en. Die digi­ta­len Gerä­te ver­tie­fen sozia­le Spal­tun­gen, weil Kin­der die­ser Schich­ten mehr von nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen betrof­fen sind als Kin­der aus Eltern­häu­sern, in denen viel mit­ein­an­der gespro­chen, gespielt, gesun­gen, gebas­telt wird, in denen Sport getrie­ben, Bücher gele­sen oder musi­ziert wird.

Wer Bil­dungs­chan­cen erhö­hen will, muss in Lehr­kräf­te, klei­ne Klas­sen und För­der­pro­gram­me investieren.

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Beson­ders ver­lo­gen fin­de ich ja immer die „kol­la­bo­ra­ti­ven Lern­pro­zes­se“, die angeb­lich durch digi­ta­le Medi­en so groß­ar­tig initi­iert und geför­dert wer­den. Man arbei­tet also nicht zusam­men, indem man mit­ein­an­der SPRICHT, son­dern indem man gemein­sam auf irgend­wel­che Bild­schir­me starrt, klickt und wischt. Wer’s glaubt …

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No Homework, No Cry, No Correction

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  1. LaraW

    Ich bin zwar für die Digi­ta­li­sie­rung, aber im rich­ti­gen Maße. Die meis­ten Jobs set­zen eine gewis­se Kennt­niss von PC, Tablet & Co vor­aus, des­halb ist es nicht falsch einen „pro­fe­sio­nel­len“ Umgang zu ler­nen. Aller­dings möch­ten wir auch nicht, dass unse­re Kin­der asso­zi­al wer­den und das wird not­ge­drun­gen pas­sie­ren, wenn wir Medi­en­kom­pe­tenz über Sozi­al­kom­pe­tenz stel­len. Ich habe mit mei­nen Schü­lern des­halb auch einen Film zum The­ma Medi­en­kon­sum ange­se­hen, der sie tat­säch­lich auch zum Nach­den­ken ange­regt hat. Es gibt hald doch so viel, dass einem ein iPho­ne nicht bei­brin­gen kann.

    • > des­halb ist es nicht falsch einen „pro­fe­sio­nel­len“ Umgang zu lernen. 

      Also bit­te, ich weiß ja nicht, was deine/eure Schü­ler in Infor­ma­tik (angeb­lich) ler­nen. Selbst mei­ne 11.-Klassler kön­nen meis­tens NICHTS. Von wegen „digi­tal nati­ves“. Sie schei­tern (trotz detail­lier­ter Anlei­tung) bereits an mei­nen läp­pi­schen Lay­out-Vor­ga­ben z.B. für Auf­sät­ze. Ich hät­te ja nichts dage­gen, wenn sie z.B. Grund­la­gen der Text­ver­ar­bei­tung oder Tabel­len­kal­ku­la­ti­on ler­nen wür­den, aber das geschieht ja gera­de offen­bar nicht. Statt­des­sen soll wert­vol­le Unter­richts- (= Sprech-)Zeit für Gewi­sche und Gekli­cke geop­fert werden.

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