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Lyrikanalyse

Das Ana­ly­sie­ren von Gedich­ten steht der­zeit nicht all­zu hoch im Kurs. Man fürch­tet die Schön­heit des Tex­tes zu „zer­re­den“ und den „emo­tio­nal impact“ des Gedichts durch kogni­ti­ve Ana­ly­se zu redu­zie­ren oder gar zu zer­stö­ren. Statt ratio­nal zu ana­ly­sie­ren lässt man lie­ber Bil­der malen, „fro­zen tableaux“ insze­nie­ren, krea­ti­ve Tex­te schrei­ben usw.

Mei­ner Ansicht nach ist das eine ver­häng­nis­vol­le Ent­wick­lung. Ratio­na­le (auch for­ma­le) Ana­ly­se und ästhe­ti­scher Genuss wer­den als dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setzt wahr­ge­nom­men, wäh­rend mei­ner Mei­nung nach die Ana­ly­se ganz im Gegen­teil die VORAUSSETZUNG für Wert­schät­zung ist.

Das soll nun natür­lich nicht hei­ßen, dass (wie so häu­fig frü­her prak­ti­ziert) ein­fach stu­pi­de Metrum, Reim­sche­ma und Bil­der bestimmt und benannt wer­den und dann noch kurz die rhe­to­ri­sche Fra­ge „Do you like the poem?“ gestellt wird. (Wel­cher Schü­ler traut sich da schon ’nein‘ zu sagen, wenn er genau sieht, wie toll der Leh­rer das Gedicht findet?)

Es geht viel­mehr dar­um zu zei­gen, wie bestimm­te Stil­mit­tel in einem ganz kon­kre­ten Gedicht zusam­men­wir­ken und die „Aus­sa­ge“ (falls es über­haupt eine gibt) unter­stüt­zen (bzw. evtl. auch kon­ter­ka­rie­ren), mit ande­ren Wor­ten ein Gedicht als LITERARISCHEN Text ver­ständ­lich zu machen.

Ein aus­ge­zeich­ne­tes Buch zu die­sem The­ma ist Ein­füh­rung in die Lyri­k­ana­ly­se (Ama­zon) von Chris­toph Bode. In sechs Kapi­teln (Metrum und Rhyth­mus / Klang und Stro­phen­form / Bild­lich­keit / Aus­ge­wähl­te Gedicht­for­men / Text­ge­stalt / Rol­len, per­so­nae, modes) „reka­pi­tu­liert [das Buch] eben­so zügig wie ver­ständ­lich zunächst die übli­che Ter­mi­no­lo­gie der Lyrik-Ana­ly­se, um dann an einer Fül­le von Bei­spie­len aus der eng­li­schen und ame­ri­ka­ni­schen Dich­tung zu zei­gen, dass die Iden­ti­fi­zie­rung und Benen­nung eines poe­ti­schen Phä­no­mens immer nur der Aus­gangs­punkt sein kann für eine genaue­re Bestim­mung, wie denn kon­kret die­ses Phä­no­men in die­sem gege­be­nen Kon­text fun­giert, wirkt und bedeutet.“

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  1. Zum Aspekt „Gedicht zerreden“: 

    Brecht schrieb:
    „Wer das Gedicht für unnah­bar hält, kommt ihm wirk­lich nicht nahe. In der Anwen­dung von Kri­te­ri­en liegt ein Haupt­teil des Genus­ses. Zer­pflü­cke ein Rose und jedes Blatt ist schön.“

    Ber­tolt Brecht, „Über das Zer­pflü­cken von Gedich­ten“, Gesam­mel­te Wer­ke in 20 Bän­den, Band 19 (Frank­furt a. M.: Suhr­kamp, 1967), S. 392 – 393.

    Mehr dar­aus z. B. auf Sei­te 10 die­ser PDF-Datei:
    http://www.bildung-mv.de/download/fortbildungsmaterial/abi-muendlich-deutsch-vorbereitung.pdf

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